Ein Gastartikel von Andreas Schuster

Ich hatte mich zwar dazu entschieden, regelmäßig zu schreiben. Doch ich kam einfach nicht dazu, da immer noch so viele andere Dinge zu erledigen waren. Was ich brauchte war Zeit. Also entschloss ich mich, ein paar Tage am Stück nur für das Schreiben zu reservieren. Im Internet fand ich das Seminar „Achtsames Schreiben“ von Stefan Schwidder. Die Beschreibung klang interessant. „Warum nicht?“, dachte ich mir. Schaden konnte es wohl kaum. Ich verbrachte also eine Woche in Orferode fernab des Alltags und ohne Handyempfang. Ich beschäftigte mich intensiv mit mir und meinem Schreiben und kehrte mit einem festen Entschluss wieder nach Hause: Es musste einfach gelingen, Schreiben und Alltag miteinander zu vereinbaren!Heute kann ich sagen: Es hat geklappt. Im letzten Jahr habe ich neben Job und Familie ein 66-seitiges E-Book, zahllose Blog-Artikel sowie einen 300-seitigen Roman geschrieben. Doch von allein ging das nicht. Wertvolle Haltungen und Strategien haben mir dabei geholfen, dem Schreiben einen zentralen Platz in meinem Leben einzuräumen. Gerne teile ich sie mit dir.

 

1. Definiere deine Ziele

Wozu möchtest du eigentlich schreiben? Finde eine Antwort auf diese Frage und du schaffst eine wichtige Grundvoraussetzung für dein Schaffen. Wenn du weißt, worum es dir eigentlich geht, verbindest du dich beim Schreiben mit tiefen Wünschen und Bedürfnissen deiner Persönlichkeit. So wird deine Schreibpraxis zu einem Teil deiner selbst, zum Ausdruck deiner Person. Warum jemand schreibt, unterscheidet sich von Person zu Person. Um deiner Motivation auf die Spur zu kommen, bieten sich bestimmte Schreibübungen an. Sind dir deine Ziele erst einmal bewusst, verlierst du das Schreiben in der Hetze des Alltags nicht mehr aus den Augen.

 

2. Integriere das Schreiben in den Tagesablauf

Genauso wichtig wie die Klarheit, wozu du eigentlich schreiben möchtest, ist die rein praktische Integration des Schreibens in dein sonstiges Leben. Viele Menschen sind sehr beschäftigt, neben beruflichen und familiären Verpflichtungen haben sie auch noch Hobbies und einen Freundeskreis. Und wenn es einmal nichts zu tun gibt, zieht das ständige Rauschen der elektronischen Medien unsere Aufmerksamkeit auf sich. Das regelmäßige Schreiben kann in dieser Welt nur gelingen, indem wir ganz bewusst Zeiten definieren, zu denen es stattfinden soll.

Viele schreiben am frühen Morgen, bevor der Alltag über sie hereinbricht. Manche sitzen in den späten Abendstunden am Schreibtisch, wenn alles andere erledigt ist. Wieder andere reservieren ein ruhiges Stündchen am Nachmittag für sich. Es ist gleichgültig, wann genau du deine Schreibzeiten hast. Wichtig ist allein, dass du dich festlegst und sie in deine Planung integrierst wie andere Termine. Sie gehören in den Kalender – und auch wenn du dich „nur“ mit dir selbst verabredest, sind sie ebenso verbindlich wie Vorhaben, an denen auch andere Menschen beteiligt sind.

 

3. Vermeide Zeitkiller

Um das Schreiben in deinen Tagesablauf zu integrieren, hilft es, sich den eigenen Umgang mit Zeit bewusst zu machen. Wir haben alle gleich viel Zeit. Jeder Mensch verfügt täglich über 24 Stunden. Es ist also allein die Frage nach der Prioritätensetzung, die den Unterschied macht. Es kann helfen, auf Papier zu skizzieren, wofür du an einem gewöhnlichen Tag wie viel Zeit investierst. Male dazu einen Kreis auf als eine Art Zeittorte, die für die 24 Stunden des Tages steht. Zeichne nun mehr oder weniger dicke Stücke für die unterschiedlichen Bereiche ein, für die du üblicherweise Zeit aufwendest. Es geht dabei nicht darum, ganz genau zu sein, eine grobe Einschätzung genügt. Wichtig ist aber, dass du ehrlich zu dir selbst bist. Sobald du eine eingermaßen realistische Einschätzung abgegeben hast, betrachte das Verhältnis der Stücke zueinander. Bist du zufrieden mit dem, was du siehst? Gibt es Bereiche, die einiges an Zeit in Anspruch nehmen, von denen du das nicht erwartet hast? Sind dir diese überhaupt wichtig? Identifiziere Zeitkiller und versuche, sie in Zukunft zu vermeiden!

 

4. Reserviere längere Phasen

Nicht jedes Projekt lässt sich nebenher mit ausreichend Konzentration verfolgen. Manche Schreibvorhaben fordern eine gewisse Ruhe, die über die Ruhe kurzer Schreibphasen im Alltag hinausgeht. Bei längeren Texten müssen sich die Ideen, These oder Erzählstränge häufig über einen längeren Zeitraum hinweg entwickeln. Dafür brauchst du Zeit, in der du zwar nicht aktiv am Schreiben bist, in der dein Gehirn sich jedoch bewusst oder unbewusst weiter mit deinem Projekt befasst. In einem vollgepackten, durchgetakteten Alltag ist dies meist nicht möglich. Identifiziere Phasen, in denen du dich vollkommen auf dein Schreibprojekt konzentrieren kannst. Reserviere sie dann ausschließlich dafür. Es kann sich um ein langes Wochenende handeln, um die Ferien oder den Urlaub. Nimm dir für diese Zeit keine anderen Verpflichtungen als dein Schreibprojekt vor. Stell es ins Zentrum deines Lebens. Aus diesen Phasen intensiver Konzentration wirst du einen Arbeits- und Motivationsschub mit in den Alltag nehmen können.

 

5. Sei konsequent

Sehr hilfreich für die tägliche Schreibpraxis ist es, wenn du einen Vertrag mit dir selbst schließt. Du hast dich dafür entschieden zu schreiben und hast für dich geklärt, wozu du das tust. Diskutiere nun nicht länger mit dir. Setz dich zu den Zeiten, die du mit dir vereinbart hast, hin und schreibe. Leichter fällt dies, wenn du ein konkretes Ziel hast, das du erreichen willst. Am besten geeignet ist hierfür eine Wörter- oder Seitenanzahl. Wenn du jedoch nur sehr beschränkt Zeit hast, kann dein Ziel auch sein, eine halbe Stunde konzentriert zu schreiben. Hauptsache, du erreichst, was du dir vornimmst.

 

6. Rüste dich gegen Schreibblockaden

Auch bei einer klaren Zielsetzung und viel Disziplin können sie immer wieder auftauchen: Schreibblockaden. Kein Satz will mehr gelingen und auf einmal geht nichts mehr. Für Schreibblockaden gibt es viele mögliche Gründe. Manchmal gelangen wir in einem Projekt an eine Stelle, an der wir nicht mehr weiter wissen, manchmal raubt uns Kritik die Leichtigkeit beim Schreiben und manchmal gibt es Sorgen und Probleme, die uns einfach nicht loslassen wollen. Die gute Nachricht: So unangenehm und hartnäckig Schreibblockaen auch sein mögen, es gibt probate Mittel dagegen. Doch nicht jedes davon ist für jede Situation gleichermaßen geeignet. Deshalb ist es sinnvoll, sich einen Notkoffer mit Methoden und Haltungen anzulegen, den du im Fall des Falles bloß zu öffnen brauchst, um wieder in den Schreibfluss zu kommen.

 

7. Teile mit anderen

Schreiben ist eine einsame Tätigkeit. Meistens zumindest. Umso befruchtender ist es, sich mit anderen Schreibern auszutauschen, die eigenen Texte vorzulesen, Anregungen und Rückmeldungen zu bekommen und zu erfahren, was andere so schreiben. Um das eigene Schreiben zu verbessern, hilft es, den Blick auf die Stärken und Probleme der eigenen Texte zu schärfen. Wenn man dies mit anderen zusammen einübt, entsteht daraus eine ganz besondere Schreibenergie. Besuche ein Schreibseminar oder such dir eine passende Schreibgruppe in deiner Stadt. Die Gemeinschaftserfahrung und positive Rückmeldungen geben dir Kraft, das Schreiben im Alltag weiterzuverfolgen.

 

8. Sei vorsichtig mit anderen Menschen

So hilfreich es für dein Schreiben sein kann, dich mit Gleichgesinnten zu treffen, so hinderlich kann es sein, deine schriftstellerischen Ambitionen jedem an die Nase zu binden. Besonders gefährlich wird es, wenn du den falschen Menschen einen Text zum falschen Zeitpunkt zeigst. Dein Text kann noch so gut oder richtig für dich sei – wenn er zu früh an einen gnadenlosen Kritiker gerät, geht er unter Umständen für immer kaputt. Denn Schreiben ist immer persönlich. Übermäßige Kritik zum falschen Zeitpunkt behindert unsere Enwicklung und kann uns in Selbstzweifel stürzen. Natürlich ist es wichtig, irgendwann anderen etwas von dir zu lesen zu geben und eine Rückmeldung zu bekommen. Behalte deine Ideen und deine Texte jedoch so lange für dich, wie es nötig ist, damit sie sich in Ruhe entwickeln können. Überlege schließlich genau, wer der oder die Außerwählte sein soll, wenn es soweit ist, jemanden ins Vertrauen zu ziehen.

 

9. Vergiss den Mythos vom Genie

Manchmal müssen wir etwas vergesen, um dazu zu lernen. Das gilt auch, wenn es darum geht, Schreiben und Alltag miteinander zu verbinden. Gerade dem literarischen Schreiben haftet häufig der Ruf an, es hanlde sich um eine gewissermaßen übermenschliche Fähigkeit. Schriftsteller erscheinen nach diesem Verständnis häufig wie begnadete Genies. In dieser Überzeugung stecken eine mächtige Wahrheit und ein gefährlicher Irrglaube zugleich. Bei all unseren Fähigkeiten wirken unsere natürlichen Anlagen mit unseren Lebenserfahrungen zusammen. Sicherlich ist jeder Mensch auf unterschiedliche Weise talentiert. Doch gehört zum Schreiben zum einen nicht die eine besondere Begabung. Dazu ist es ein viel zu komplexer Vorgang. Zum anderen ist das wichtigste, um wirklich gut zu schreiben, immer noch Übung. Nur indem wir schreiben, lernen wir schreiben. Nur so können wir unsere Talente entwickeln.

Die Genies Goethe und Schiller haben einen großen Teil ihres Lebens mit dem Schreiben verbracht. Und bei zeitgenössischen Erfolgsautoren wie Wolfgang Herrndorf, Benedict Wells oder Juli Zeh verhält es sich ebenso. Und auch der Literaturnobelpreisträger 2016 Bob Dylan hat keine göttliche Erleuchtung erfahren und den einen genialen Song gerschrieben. Erst ein ganzes Leben für die Musik und die Texte hat möglich gemacht, was wir heute an ihm bewundern. Verinnerliche diese Wahrheit über den Mythos der Genialität. Überschreibe die Ausrede, kein Genie zu sein, mit der Überzeugung, durch tägliche Übung immer besser zu werden.

 

10. Genieße den Prozess

Die meisten, die dem Schreiben einen wichtigen Platz im Leben einräumen, wollen auch irgendwann Erfolge sehen und ihr eigenes Buch in der Hand halten. Das ist ein schöner Wunsch – und sicherlich kann er auch zum Schreiben motivieren. Doch er ist auch gefährlich. Wenn du dich regelmäßig, am besten Tag für Tag, an den Schreibtisch setzen willst, solltest du auch schreiben wollen. Es genügt nicht, auf das Ende zu schielen. Dafür ist der Schreibprozess zu häufig von Durststrecken, Schreibblockaden und Irrwegen geprägt. Um diese zu überwinden und zu erhellenden Glücksmomenten zu gelangen, die das Schreiben auch bietet, solltest du dich auf den Weg einlassen. Unabhängig vom Ergebnis. Nur dann wird es gelingen, dem Schreiben im Alltag einen wirklich zentralen Platz einzuräumen.

 

11. Denk Schreiben und Leben zusammen

Das Ringen um ausreichend Zeit und Energie für das Schreiben kann sich zu einem Kampf steigern. Vielleicht musst du viele Stunden in der Woche mit einer anderen Tätigkeit verbringen, um Geld zu verdienen. Vielleicht hast du den Eindruck, sie hält dich vom Schreiben ab. Wahrscheinlich gibt es auch noch eine ganze Reihe weiterer Pflichten und Herausforderungen in deinem Leben, die dich Kraft und Zeit kosten. Um das Schreiben wirklich langfristig in deinen Alltag zu integrieren, solltest du auch die positiven Aspekte deiner sonstigen Verpflichtungen zu sehen. Dein Brotjob ernährt dich und eröffnet dir die Möglichkeit, satt in einem gut geheizten Zimmer am Schreibtisch zu sitzen. Ein Leben voller Herausforderungen bietet dir eine Fülle an interessantem Stoff für deine Texte. Und selbst wenn du den Eindruck hast, dass dich die Welt vom Schreiben ablenkt, hat das etwas Gutes für sich: Du kannst die Wut und den Frust in deine Texte legen und damit die Wut in Energie für dein Schreiben verwandeln.

 

12. Mach das Schreiben zu deiner Herzensangelegenheit

Es gibt so viele Tipps zum Schreiben. Manche beziehen sich auf das Handwerk und manche auf die Lebensführung als Autor. Doch ein Hinweis steht über allem und bildet die Grundvoraussetzung dafür, dein Schreiben zu einem erfolgreichen Teil deines Lebens zu machen: Es sollte dir eine Herzensangelegenheit sein. Schreib über die Themen, die dich tatsächlich bewegen. Schiele nicht danach, was gerade auf dem Markt angesagt ist und erfolgsversprechend erscheint. So läufst du nur irgendwelchen Trends hinterher. Blicke lieber in dein Inneres und begib dich auf die Suche nach Konflikten, nach Erfahrungen, nach Fragestellungen, die du bearbeiten möchtest. Wenn du beim Schreiben ganz bei dir bist, entwickelt sich eine Eigendynamik. Du möchtest deine Geschichte weiterschreiben, mehr über deinen Protagonisten erfahren, tiefer eindringen in ein Thema. So wird das Schrieben zu einem prägenden und zentralen Aspekt deines Alltags und du entwickelst den notwendigen Fokus darauf.

 

Schreiben als Lebensstil

Es gibt viele unterschiedliche Arten, seinen Alltag zu gestalten. Außerdem ist jeder Mensch einzigartig. Der eine Tipp wird dir entsprechend mehr helfen als der andere. Probiere die unterschiedlichen Ratschläge aus und übernimm bloß das, was zu dir passt. So gelangst du zu deiner ganz eigenen Art und Weise, das Schreiben im Alltag zu leben.

 

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Andreas Schuster - Schreibcoach Hamburg

Andreas Schuster ist Schreibtrainer, Autor und Blogger. In seinem kostenlosen E-Book teilt er auf 66 Seiten die besten Schreibtipps erfolgreicher Autoren mit dir!