Kürzlich habe ich an einem Puppenspiel-Workshop bei Bodo Schulte teilgenommen (unter anderem „Bert“ in der Sesamstraße und „Käpt‘n Blaubär“). Wir haben in den acht Tagen alle grundlegenden „Basics“ geübt, die die Puppen vor den Augen der Zuschauer lebendig werden lassen – vor allem ihre Haltung, ihren Blick und das synchrone Sprechen, also die Übereinstimmung ihrer Mundbewegungen mit „ihrer“ Stimme.
Dabei sind wir immer tiefer in das eigentliche Spiel eingestiegen. Irgendwann wurde mir immer klarer, dass dabei Dinge von entscheidender Bedeutung sind, die sich auch hervorragend auf das Schreiben anwenden lassen.
Die wichtigsten drei Aspekte habe ich dir hier mitgebracht: Wie du starke Geschichten erzählst, wie deine Hauptfigur Glaubwürdigkeit gewinnt und wie du deine sie immer besser kennenlernst.
Wie du starke Geschichten erzählst
Wen man eine Geschichte plant oder inszeniert, sollte immer diese Frage an erster Stelle stehen: „Was ist die entscheidende Szene eines bestimmten Erzählabschnitts?“ Mit anderen Worten: Welche Elemente tragen diesen Abschnitt? Was ist sein Höhepunkt? Was muss ich hervorheben, damit das, was ich ausdrücken möchte, besondere Beachtung findet und in seiner Bedeutung klar wird?
Für dein Schreiben gilt Gleiches: Akzentuiere das, was wirklich wichtig ist, und gestalte den Rest der Szene mit entsprechend weniger Fokus. Dem, worauf du den Blick durch Betonung, Details oder Fokus lenkst, verleihst du Wichtigkeit und weckst die Aufmerksamkeit der Zuschauenden / Lesenden. Du kannst sie so einfach durch die Geschichte führen, ohne sie „zu verlieren“. Gleichzeitig entsteht ein wunderbarer Wechsel zwischen Spannung und Entspannung.
Wie deine Hauptfigur Glaubwürdigkeit gewinnt
Tiefe, Berührung und Identifikation mit der Hauptfigur erzeugen wir vor allem über Emotionen – denk nur an deinen letzten Kinobesuch, bei dem du mit der Hauptfigur geweint, gelacht oder getrauert hast. Wenn man beim Puppenspiel Emotionen der Figur zeigen möchte, gilt es, diese nicht über den gesprochenen Text zu transportieren – das wird schnelllangweilig –, sondern über ihre Körperhaltung und ihren Ausdruck.
Es sollen also, wie beim Schreiben auch, Bilder vor den Augen der Zuschauenden / Lesenden entstehen. „Show, don’t tell“ heißt die alte Zauberformel, die an Bedeutung und Gültigkeit nie etwas eingebüßt hat. Beim Spielen wie beim Schreiben geht es also darum, Emotionen wie „traurig“, „genervt“ oder „wütend“ durch das Verhalten, die Gestik, Mimik und Bewegungen der Figur zu zeigen – nicht, indem sie explizit sagt: „Ich bin aber so traurig!“. Beim Schreiben zielst du also darauf ab, dass deine Lesenden durch das, was die Figur tut, wie sie etwas sagt und wie sie sich verhält selbst „interpretieren“ können, wie sie sich fühlt oder welchen Charakter sie hat.
Wie deine Geschichten und Figuren “Seele” bekommen
Je besser du deine Charaktere kennst, desto überzeugender wird deine Geschichte – und desto leichter entwickelst und schreibst du sie. Neben der Biografie für deine Hauptfigur ist dabei vor allem zwei Aspekte wichtig:
Verbinde dich selbst auf der emotionalen Ebene mit deiner Figur. Du erreichst dies, indem du fühlst, was gerade in der Puppe oder der Figur vor sich geht. Wenn deine Hauptfigur traurig ist, fühle selbst diese Traurigkeit. Ist sie verunsichert, spüre, wie es sich anfühlt, sich im Ungewissen zu befinden. Manchmal hilft es, sich entsprechende Momente aus dem eigenen Leben noch einmal in Erinnerung zu rufen.
Und: Nimm deine Hauptfigur ernst! Im Puppenspielworkshop haben wir eine sehr berührende Übung gemacht, dabei verwandelte sich unsere Hand mit einem Schaumstoffball auf dem Zeigefinger in ein richtiges Lebewesen. Uns wurde bewusst: Jede Puppe bekommt in dem Moment, wenn man sie auf die Hand zieht, ein Leben und eine Seele – und das Spiel dadurch erst Authentizität und Tiefe. Behandle deine Figuren beim Schreiben genauso: Sieh sie als lebendige Wesen, mit denen du Kontakt hast. Spüre, wie ihr Herz schlägt. „Fühle“ ihr Rückgrat und ihren Atem. Lass sie in deiner Fantasie lebendig und ein Teil deines Lebens werden.
Behandle dein Schreiben und deine Figuren mit Respekt – und sie werden es dir mit großartigen Ideen, kreativem Fluss und richtig guten Geschichten danken!
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