Ich bin berührt und traurig über das, was gerade in der Welt passiert, und meine Gedanken und mein Mitgefühl sind bei allen, die besonders in den letzten Tagen geliebte Menschen verloren haben – in Paris, in Beirut, im Jemen, in Somalia, in Syrien, im Irak und an all den anderen Orten, an denen unschuldige Menschen durch Krieg und Willkür leiden müssen. Ich denke auch an all jene, die mitten unter uns voller Angst um ihre Zukunft sind, die Opfer von Gewalt oder Ungerechtigkeit sind – und an jene, die ihre Kinder anschauen und nicht wissen, ob diese ein Leben in Freiheit und Frieden erleben werden.
Gleichzeitig erlebe ich, wie stark wir in eine Spirale aus negativen Emotionen hineingezogen werden (sollen), und wie wichtig es in diesen Tagen ist, bewusst zu entscheiden, was wir wirklich wählen wollen, wo wir unsere Aufmerksamkeit hinlenken wollen: Auf Angst, Leid und Rache – oder auf Vertrauen, Liebe und Eigenverantwortung.
Als die Attentate in Paris geschahen, befand ich mich mit einigen wundervollen Teilnehmerinnen mitten in meinem Kurs „Die Heldenreise“. Kernprinzip dieser archetypischen Geschichtenstruktur: Die Protagonisten müssen in die Schattenwelt hinabsteigen und dort, am tiefsten und dunkelsten Punkt, ihren größten Herausforderungen begegnen, um dadurch zur Heldin oder zum Helden zu werden – ihre Wunden zu heilen, in ihre Bestimmung zu finden und ihr Licht für die Welt sichtbar aufscheinen zu lassen.
Wir sind alle Held oder Heldin unseres eigenen Lebens – auch wir stehen immer wieder vor Situationen, die uns unüberwindbar erscheinen, müssen mit Schicksalsschlägen fertig werden und sind letzten Endes immer mit unseren eigenen Schatten – unseren Mustern, Schmerzen und Ängsten – konfrontiert.
Der Grund, warum die Heldinnen und Helden in Geschichten auf die Reise ins Unbekannte aufbrechen, ist die „persönliche Betroffenheit“: Die Krise trifft sie persönlich, sie können nicht länger ausweichen, sie sind direkt und unmittelbar betroffen. Genau das geschieht gerade: Wir erwachen wie aus einem Traum und werden in eine Realität gerissen, die uns die Augen öffnet und uns zwingt, unsere Komfortzone zu verlassen. Weil das, was geschieht, uns meint.
Vielleicht ist es jetzt für uns an der Zeit, mutig aufzubrechen und das anzuschauen, was wir, zum Teil lebenslang, verdrängt oder verleugnet haben. Vielleicht sind die äußeren Ereignisse genau der Impuls, der bislang gefehlt hat, um endlich in unsere wahre Größe hineinzuwachsen. Auch in unserem Leben wartet unser größtes Potenzial genau an dem Punkt auf uns, wo es am schmerzhaftesten ist. Erst, indem wir bereit sind, in den Abgrund zu springen, erlangen wir den größten Schatz, den wir finden können.
„Sei der Wandel, den du in der Welt zu sehen wünschst“, hat Mahatma Gandhi gesagt: Die Veränderung beginnt immer in uns selbst. Anstatt also die Schuld ins Außen zu geben, die Gewalt zu verurteilen oder die Gräben zwischen uns weiter zu vertiefen, haben wir andere, bessere Möglichkeiten. Wie viel mehr wäre der Welt jetzt geholfen, wenn wir innehalten und uns fragen würden: Was kann ich persönlich in dieser Situation jetzt tun, um mehr Frieden, Liebe, Gerechtigkeit, Respekt, Toleranz, Verständnis und Miteinander hervorzubringen oder zu fördern? Nicht irgendwo – sondern direkt in meinem Alltag, in meinen Beziehungen, in der Familie, bei der Arbeit, in sozialen Netzwerken.
Man sagt, dass das Außen ein Spiegel unserer inneren Anteile ist. Anstatt also Terror – in welcher Form auch immer –, willfährige Politiker oder das System menschenverachtender Ausbeutung zu verurteilen, können wir uns fragen: Wo bin ich noch ungerecht jemand anderem gegenüber? Wen werte ich zurzeit ab? Wem gegenüber bin ich intolerant und starrsinnig? Mit wem habe ich meinen Frieden noch nicht geschlossen? Und wo und wem kann ich vergeben, um Entschuldigung bitten, die Hand reichen, aufeinander zu gehen oder von Herzen umarmen? Aber auch: Welche „Kriege“ führe ich mit mir selbst? Inwiefern verweigere ich mir selbst Liebe, Respekt und achtsamen Umgang? Und wie kann ich mich selbst so annehmen, wie ich bin – und darin meine ganze Kraft und Schönheit entdecken?
Natürlich ist das nicht die Lösung für alles, was wir in der Welt sehen. Aber indem wir so handeln, tragen wir ein großes, wichtiges Stück dazu bei, diese Dinge auch in der Welt manifest zu machen. Vor allem aber sorgen wir dafür, dass wir beginnen, genau das werden, wofür wir hier angetreten sind. Ich glaube: Wir stehen genau an dem Punkt der Entscheidung. Und jede, jeder von uns bestimmt mit dem, was wir fühlen, denken, sagen und tun darüber, wohin uns unsere individuelle und kollektive Reise führt.
(c) Foto: Bessi